Oldtimer als Beutekunst: Diebstahl von Oldtimern und die juristischen Probleme
Es gibt manchmal schon besonders gelagerte Fälle:
Vorliegend ging es um einen wunderschönen Mercedes aus den Dreißiger Jahren, der bei Kriegsende 1945 in der Garage eines Firmengeländes stand, als dieses und die umliegende Gegend von amerikanischen Soldaten besetzt wurde. Eines Tages war das Auto verschwunden.
Nähere Einzelheiten ließen sich nicht aufklären, es bliebe aber die Vermutung, dass GI´s das Fahrzeug entwendet hätten. Der Fall blieb lange unaufgeklärt. Dann tauchte das Fahrzeug jedoch zunächst bei einer Versteigerung in den USA auf. Die Erben des ursprünglichen Eigentümers wanden sich an den Versteigerer in den USA und meldeten Eigentumsansprüche an dem Fahrzeug an. Diese wurden jedoch zurückgewiesen. Das Fahrzeug versteigert. Der Ersteigerer (Käufer) aus Holland wurde über die geltend gemachten Ansprüche nicht informiert. Dieser führte dann das Fahrzeug nach Deutschland ein und versuchte es auf der Messe Techno Classica Essen im Frühjahr 2012 über einen eingeschalteten Händler zu verkaufen. Die Erben des ursprünglichen Eigentümers erfuhren dies und beantragten bei dem Landgericht, dem Sitz des beauftragten Händlers, eine einstweilige Verfügung, die auch erlassen wurde. Das Fahrzeug wurde danach noch auf der Messe in Essen beschlagnahmt und vom Gerichtsvollzieher in Verwahrung genommen.
Die Erben einerseits und der holländische Ersteigerer streiten nunmehr vor Gericht, wer der tatsächliche Eigentümer des Fahrzeuges ist. Dabei geht es u.a. um die Frage, unter welchen Umständen das Fahrzeug im Jahr 1945 „verschwunden“ ist.
Von den Erben wird auch eingewandt, das Fahrzeug sei ähnlich wie beispielsweise alte Gemälde oder sonstige Kunstgegenstände als sog. „Beutekunst“ einzuordnen. Kulturhistorische Gegenstände dürfen auch in einem Krieg nicht beschlagnahmt und außer Landes gebracht werden. Ist dies doch geschehen oder wurden sie gestohlen, sind sie später, auch noch nach Jahrzehnten, in das Ursprungsland zurückzubringen und den ursprünglichen Eigentümer auszuhändigen. Damit soll auch verhindert werden, dass ein Land seiner sämtlichen Kulturgegenstände beraumt wird. Ob ein Auto allerdings als „Kunst“ in diesem Sinne verstanden werden kann, ist bislang noch nie entschieden worden, zumal das Fahrzeug im Jahr 1945 noch keine zehn Jahre alt war.
…und das meint der Oldtimeranwalt:
Die rechtliche Basis dieses höchst spannenden Falles liegt in den Tiefen juristischer Abstraktion. Dazu muss man zunächst wissen, dass die deutschen Juristen unterscheiden zwischen dem Besitz einer Sache (ich kann darüber verfügen, habe den Schlüssel zum Auto, zur Garage etc.) einerseits und dem Eigentum (mir gehört die Sache) andererseits. Auch in der Berichterstattung wird dies oft verwechselt.
Im Kern geht es um eine ganz einfache Erkenntnis, die in § 935 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) niedergelegt ist: Niemand kann Eigentümer einer Sache werden, wenn diese dem Eigentümer gestohlen worden ist, verloren gegangen ist oder anderweitig „abhanden“ gekommen ist. Wichtig ist, dass der Eigentümer die Sache nicht weggegeben hat, wozu auch verleihen, vermieten o.ä. gehört. Ausgangspunkt ist die Behauptung, das Fahrzeug sei gegen Kriegsende ohne Zutun des damaligen Eigentümers entwendet worden. Dies müssen die heutigen Erben darlegen und auch beweisen. Gelingt den Erben dieser Beweis, wird es für den holländischen Käufer schwer zu beweisen, dass er vielleicht doch Eigentümer geworden ist.
Zu prüfen ist dann noch, ob die Familienmitglieder, die jetzt Ansprüche geltend machen, tatsächlich Erben des ursprünglichen Eigentümers geworden sind. Derjenige, der das Fahrzeug zuletzt gekauft hat könnte sich darauf berufen, dass er das Fahrzeug im Wege der öffentlichen Versteigerung und damit rechtmäßig erlangt hat (§ 935 Abs. 2 BGB). Damit ist aber nur die seltene Form einer Versteigerung durch den Gerichtsvollzieher, einen öffentlichen Versteigerungsbeamten oder einen öffentlich bestellten Versteigerer gemeint und nicht eine freiwillige Oldtimerauktion oder gar Internetauktion, die nicht von diesen Personen geleitet wurden. Eine Versteigerung in diesem Sinne hat es wohl in dem hier geschilderten Fall in den USA nicht gegeben. In Ausnahmefällen kann das Eigentum auch dadurch für den Bestohlenen oder seine Erben verloren gehen, dass ein Anderer das Fahrzeug „ersitzt“.
Von Ersitzung spricht das Gesetz (§ 937 BGB), wenn jemand eine Sache, also z. B. einen Oldtimer, mindestens zehn Jahre im Glauben besitzt, er sei Eigentümer, ihm gehöre also diese Sache. Voraussetzung ist jedoch, dass er beim Erwerb der Sache „in gutem Glauben“ war und er auch später nicht erfährt, dass die Sache ursprünglich gestohlen war. Ein Hehler kann also eine Sache niemals ersitzen. Auch in dem hier vorliegenden Fall greift die Vorschrift nicht ein, da die zehnjährige Frist längst nicht erfüllt war. Eine Ersitzung ist auch generell bei Gegenständen kaum möglich, die im Dritten Reich oder in den Wirren des Kriegsendes Ihren rechtmäßigen Eigentümern abhandengekommen sind.
Für den vergleichbaren Markt von Kunst und Antiquitäten, insbesondere wenn es sich um seltene Stücke handelt, war es schon bisher so, dass Kaufinteressenten sich sorgfältig nach der Herkunft sowie danach erkundigen müssen, ob der Verkäufer rechtmäßiger Eigentümer
ist. Für den Oldtimermarkt wird daher Vergleichbares gelten. Selbst wenn in einem Fall feststeht, dass der ursprünglich Bestohlene sein Eigentum nicht verloren hat und sein Fahrzeug daher zurückfordern kann, sind noch nicht alle juristischen Probleme geklärt:
Hat ein gutgläubiger Käufer das Fahrzeug beispielsweise in dem zur Erhaltung der Fahrbereitschaft notwendigen Umfang repariert oder restauriert, stellt sich die Frage, ob und in welchem Umfang er diese sog. „Verwendungen“, also finanziellen Aufwendungen, vom Eigentümer
bei der erzwungenen Rückgabe des Fahrzeugs ersetzt verlangen kann. Befindet sich das Fahrzeug im Ausland, sind unter Umständen auch noch dortige Rechtsordnungen zu beachten.
Praxistipps:
- Wie immer schon gilt: Wer einen Oldtimer kauft muss genau aufpassen, ob das Fahrzeug „echt“ und der Verkäufer auch der Eigentümer oder zumindest ein mit Vollmacht ausgestatteter Verkaufsberechtigter ist.
- Je höher der Fahrzeugwert, desto sorgfältiger muss die Historie geprüft werden und zwar nicht nur, weil dies auf den Wert Einfluss hat, sondern auch um festzustellen, ob es hier „Lücken“ gibt.
- Wenn – wie häufig bei Vorkriegsfahrzeugen – trotz Recherchen noch Unsicherheiten verbleiben, sollte im Kaufvertrag eine Klausel vorgesehen werden, wonach der Verkäufer sich verpflichtet, den Kaufpreis an den Käufer zurückzuzahlen, wenn der Käufer dies wünscht und ein Gericht (auch erstinstanzlich) festgestellt hat, dass der Käufer das Eigentum nicht erworben hat. Auch dann trägt der Käufer aber noch das Risiko, dass sein Verkäufer insolvent wird.
- Je höher der Kaufpreis ist, desto eher lohnt es sich, auch das Stammbuch des Oldies einmal „abzutelefonieren“, d. h. frühere Eigentümer zu kontaktieren. Auf diese Weise kann die Sicherheit, vom wahren Eigentümer zu kaufen, erhöht und die – wertbildende – Historie des Fahrzeugs überprüft werden.
- Zweifel an der Verkaufsberechtigung des Verhandlungspartners, an der Echtheit des Fahrzeugs o.ä. sollten nicht beiseite geschoben, sondern aufgeklärt werden.
- Der Kfz-Brief ist, anders als oft angenommen wird, keinerlei Eigentumsnachweis. Er schützt allenfalls den guten Glauben des Käufers, aber auch nur dann, wenn der Verkäufer als letzter Halter im Kfz-Brief eingetragen ist und der Käufer den Kfz-Brief erhält. Aber auch dies hilft nicht immer: Es gibt Fälle, in denen wegen des angeblichen Verlustes des Kfz-Briefes ein neuer Kfz-Brief ausgestellt worden ist, obgleich das Fahrzeug bei seinem rechtmäßigen Eigentümer gestohlen wurde. Da ein gutgläubiger Eigentumserwerb bei gestohlenen Dingen nicht möglich ist, nützt dann auch der auf den Verkäufer ausgestellte (Zweit-)Kfz-Brief nichts mehr.
- Kaufinteressenten, aber auch Verkäufern und Händlern ist angesichts des konkreten Falles zu besonderer Vorsicht zu raten, da nunmehr sicherlich viele Eigentümer gestohlener Fahrzeuge Verkäufe, Auktionen etc. besonders sorgfältig beobachten werden. Daneben wird es auch Trittbrettfahrer geben, die versuchen, „schnelles Geld“ zu machen.
Also, seien Sie vorsichtig, damit der Spaß am Oldtimerhobby erhalten bleibt!