Heiraten mit 63er Thunderbird
Oder: „Besser spät als nie!“
Nach vielen Jahren mit vernünftigen Fahrzeugen stellte Rainer Heck sich die Frage: Warum nicht jetzt einen Traum erfüllen, einen perfekten Oldtimer, mit dem man nicht nur spazieren fahren könnte, einen, den man quasi richtig nutzen könnte, für Hochzeitsfahrten zum Beispiel?
Das Jahr 1963: Kennedy ist Präsident im Weißen Haus, Jim Clark wird auf Lotus Climax Formel 1 Weltmeister, Martin Luther King hält seine legendäre Rede und in Buckinghamshire in England erbeutet eine 15-köpfige Bande 2,6 Millionen Pfund aus einem Postzug. Im Kino laufen Hitchcock´s „Die Vögel“ und Sean Connery erhält als James Bond „Liebesgrüße aus Moskau“.
1963 erhält ein Mann namens Charley Whittaker in Toler Kentucky seinen neuen Ford Thunderbird.In einem Anschreiben von Lee Iacocca, dem Generaldirektor der Ford Division, persönlich signiert, erhält er bereits im Dezember 1962 ein persönliches Exemplar einer limitierten kunstledergebundenen Imagebroschüre.
Der Bildband soll eindrucksvoll demonstrieren, wie hochwertig sein neues Auto, das er in Kürze geliefert bekommt, sein wird. Ausgereifter Motorenbau, Handarbeit und sogar Rostschutz sind ein Thema, so verweist Iacocca im Anschreiben auch auf nur noch halbjährliche Ölwechselintervalle (oder 6.000 Meilen) und Fahrwerksschmierung, die erst nach drei Jahren oder gar 100.000 Meilen fällig ist. Heute selbstverständlich, damals beeindruckend!
Charley Whittaker hingegen mag es betont klassisch, er hat sich für ein gedecktes cremeweiß - Corinthean White - entschieden, mit edlem rotem Leder. Neumodische Spielereien mag er nicht besonders. Er lässt sich für ein so großes Coupé fast untypisch weder air condition noch power windows einbauen. Nur der Fahrersitz gleitet elektrisch betrieben. Ein bisschen Luxus durfte es dann doch sein. Dafür ist das praktische, zum Einstieg bequem nach rechts gleitende Lenkrad serienmäßig – durchgesetzt hat es sich im Automobilbau nicht – erinnert aber an die klappbare Version im 300 SL Flügeltürer.
Der 1963er Thunderbird ist stilistisch nah am 1962er Modell, den Baureihen Falcon, Fairlane und Galaxie ergeht es in diesem Modelljahr ähnlich. Ford USA hat das Edsel Dilemma gerade erst abgeschlossen. Der Verlust wird auf 2 Milliarden US Dollar geschätzt und das Projekt Pony Car – d.h. der Mustang, ist noch mitten in der Planung. So zielt der große Thunderbird auf die reifere Jugend, Manager und Selbständige, die es zu etwas gebracht haben, deren Kinder schon außer Haus sind, oder die Ihre Karriere 25 Jahre zuvor in einem Ford Business Coupé gestartet hatten.
Lee Iacocca, der Absender des Anschreibens, der heute allgemein als der Vater des Mustangs gilt, starb 2019 im Alter von 94 Jahren an den Folgen seiner Parkinsonerkrankung.
Ortswechsel. Jülich, zehn Jahre später in den 70ern: Rainer Heck (11) hat einen neuen Lieblingsspielplatz entdeckt, ein paar Ecken von seinem Elternhaus in der Nähe des Zollamts, parkt ein ausrangierter Mercedes 180 Ponton. Sein „steingrau hell“ ist matt geworden, die Scheiben eingeschlagen, es riecht nach altem Auto, ein herrlicher Spielplatz für Kids – (Anm- des Autors: die in den bunten 70ern so altmodische Farbe steingrau, erlebt gerade ihr Comeback auf Audis und Skodas, Loriot würde von einem frischen Mausgrau sprechen.)
Außer Rainer Hecks begeisterten Mitfahrten im Hanomag Kohlenlaster beim Kohleausliefern und seiner Autoquartettsammlung deuten damals noch relativ wenig Anzeichen auf einen Oldtimer-Virus hin. Es folgen „vernünftige“ erste Autos wie Renault 12 oder Datsun Cherry 100 A, eine Karriere im öffentlichen Dienst, eine Frau und zwei Söhne. Geschraubt wird selbst, wenn es nicht gerade die Bremsen sind, aber einen Oldtimer selbst besitzen, das kam eigentlich nicht infrage.
Zeitsprung, gleicher Ort 2020: Warum nicht jetzt einen Traum erfüllen, einen perfekten Oldtimer, mit dem man nicht nur spazieren fahren könnte, einen, den man quasi richtig nutzen könnte, für Hochzeitsfahrten zum Beispiel?
Auch Patricia Heck, seit 35 Jahren an der Seite von Rainer Heck, konnte der Idee etwas abgewinnen. Wenn auch mit ihrem SLK glücklich, könnte sie als selbständige Fotografin, die regelmäßig Hochzeitspaare fotografiert, direkt ein passendes Brautmobil beisteuern.
Fragt sich nur, welches. Mercedes? Jaguar? Oder doch etwas aus USA, ein V8?
Die Antwort liefert mobile.de – Ein außergewöhnlich gut erhaltener Thunderbird aus dem Jahr 1963 macht für ihn das Rennen. Das Fahrzeug, das Charley Whittaker damals als Erstbesitzer fuhr. Aus dem Angebot der Hochzeitschauffeure, die gerne mit Mercedes, Jaguar oder Käfer Cabrio aufwarten, hebt er sich wohltuend ab. Rainer Heck gelingt es, den Verkäufer zu überreden, 14 Tage zu warten, gar andere Interessenten abzublocken, ER möchte diesen 63 Thunderbird kaufen.
Der Ford soll zu den besten am Markt gehören und davon möchte sich der 58-jährige Rheinländer in Moers vor Ort überzeugen. Was der Verkäufer nicht ahnt: Heck bringt Zeit mit. Der Verkäufer steuert seinen Gutachter bei, der dem Fahrzeug eine glatte 2 attestiert. Es folgt eine 4 ½ stündige Besichtigung, bei der noch einige Mängel festgestellt wurden. Der Verkäufer erweist sich als hilfsbereit und nervenstark gleichermaßen. Fazit, das Auto ist nach Abstellen der Mängel nicht nur gut, sondern auch außergewöhnlich original - für ein Auto mit 57 Jahren.
Die Pinstripes gehören – wir wollen ehrlich bleiben – nicht in die 1960er... Der Verkäufer hat sie anbringen lassen, wohl weil diese aus seiner Sicht zum Fahrzeug passten. Wir sprechen nicht vom Aufkleben und Überlackieren von Abziehdecors. Nein, in diesem Fall handelt es sich um filigrane Handarbeit mit Lack und Schlepp-Pinsel, die man eher im Zeitalter des Kutschenbaus vermuten würde. Zu schade, um sie wieder entfernen zu lassen. Sie gehören mit zur Fahrzeughistorie so Heck, also bleiben sie.
Auf die Frage, warum denn für Hochzeitsfahrten die Wahl nicht auf ein Cabrio fiel, kommt die Antwort dieses Mal direkt von Frau Heck: „Ganz klar, wer möchte denn auf seiner Hochzeit im Juli, mit Sunblocker 50 im Gesicht und zerwühlten Haaren aus dem Auto aussteigen und sich anschließend auch noch fotografieren lassen?“ - womit sie den Nagel auf den Kopf trifft.
Aber wie so oft im Leben kommt es, wie es kommen musste und nicht alles lief problemlos bei der Übernahme des 63er Thunderbirds. Ein kleines Detail war Rainer Heck entgangen: Die eigens zuvor für den Ford angemietete Garage erwies sich um 12 cm zu kurz für 5,22 m Heavy Metal aus Wixom, Michigan USA. Somit steht das gute Stück nun in der eigens dafür entrümpelten Garage direkt am Haus des frischgebackenen Eigentümers und wartet auf die nächsten Sonnenstrahlen, um Asphalt unter die Räder zu bekommen.Wer Lust bekommen hat, entweder zu heiraten, oder sich einfach so einmal klassisch durch das Rheinland chauffieren zu lassen, dem sei die Website http://www.t-bird-weddings.de/ empfohlen.
Interview und Text von Ralf